Warum betont proTango e.V. dieses „Label“ so? Warum ist das kein elitäres Unterscheidungsmerkmal, sondern ein wichtiges Element in den Bemühungen zum Schutz und Erhalt des Tango Argentino als Kulturgut?
Die kurze Antwort: Deutschland hat sich verpflichtet, Tango Argentino als schützenswertes Kulturgut anzusehen und aktiv dafür zu sorgen, dass es auch tatsächlich geschützt wird. Wir unterstützen die Politik dabei, dass sie dieses Ziel nicht verfehlt.
Aber der Reihe nach:
Seit 2009 gehört der Tango zum UNESCO Immateriellen Kulturerbe der Menschheit (Representative List of the Intangible Cultural Heritage of Humanity).
Die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit dient nicht dazu, einen elitären Kulturanspruch zu begründen. Tangotänzer*innen und Tangokulturschaffende halten sich deswegen nicht für besser oder wichtiger als Andere.
In der Begründung für die Aufnahme des Tangos heißt es:
„der Tango verbreite den Geist seiner Gemeinschaft auf der ganzen Welt […]. Musik, Tanz und Poesie des Tangos [fördern] Vielfalt und kulturellen Dialog. […] Zu dieser Gemeinschaft gehören heute Musiker, professionelle und Amateur-Tänzer, Choreografen, Komponisten, Songwriter, Kunstlehrer und die nationalen lebenden Schätze, die die Kultur des Tangos verkörpern.“ (1)
Immaterielles Kulturerbe, das sind „Bräuche, Darstellungen, Ausdrucksformen, Wissen und Fertigkeiten – sowie die dazu gehörenden Instrumente, Objekte, Artefakte und kulturelle Räume […], die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen als Bestandteil ihres Kulturerbes ansehen.
Dieses immaterielle Kulturerbe, das von einer Generation an die nächste weitergegeben wird, wird von den Gemeinschaften und Gruppen […] fortwährend neu gestaltet und vermittelt ihnen ein Gefühl von Identität und Kontinuität, wodurch die Achtung vor der kulturellen Vielfalt und der Kreativität gefördert wird.“(2)
Der Tango steht hier in einer Reihe mit dem indischen Yoga, der neapolitanischen Kunst des Pizzabackens, der Bierkultur Belgiens, dem gastronomischen Mahl der Franzosen, der Afrokubanischen Rumba und dem Jamaikanischen Reggae. (3)
Warum ist es für die Tangokultur bedeutsam, dass sie auf dieser Liste steht? Was bedeutet das?
2003 verabschiedete die UNESCO das Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes. Die Bundesrepublik Deutschland ist am 10. Juli 2013 als 153. Mitglied dem Übereinkommen beigetreten.
Deutschland hat sich damit verpflichtet, „die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherstellung der Erhaltung des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen Immateriellen Kulturerbes zu ergreifen;“(2)n
Ja, der Tango ist ursprünglich in Uruguay und Argentinien entstanden. Von dort aus hat er sich über den gesamten Globus verbreitet. Seit vielen Jahren ist der Tango Argentino auch in Deutschland für viele tausend Menschen eine kulturelle Heimat. Das gilt nicht nur in Großstädten wie Berlin, Hamburg, München, Frankfurt und Köln, sondern überall in Deutschland.
Tangoenthusiasten in ganz Deutschland – Tangoprofessionals, Ehrenamtliche in Tangovereinen, Musiker*innen, Tänzer*innen –, sie alle lassen das große kulturelle Erbe des Tangos fortleben. Sie kultivieren damit eine Kunstform, in der Tanz, Musik und Poesie zu einer einzigartigen Form des getanzten künstlerischen Ausdrucks zusammenfließen. Mit ihrem leidenschaftlichen Engagement haben sie erreicht, dass der Tango als immaterielles Weltkulturerbe in Deutschland ein fester Bestandteil der freien Kulturszene geworden ist.
Allzu oft herrscht hierüber aber in der politischen Wahrnehmung große Verwirrung. Die aktuelle Realität der Verordnungen z.B. spricht darüber eine deutliche Sprache. Tango wird häufig dem Sport zugerechnet und in Innenministerien verortet. In dem einen Bundesland wird Tango mit Vergnügungsstätten wie Bordellen gleichgesetzt, in anderen wiederum mit Fahrschulen.
Kulturpolitiker fühlen sich nicht zuständig. Kulturförderung bietet so gut wie nie Partizipationsmöglichkeiten für Tangokultur.
Es ist daher an der Zeit, dass der Tango in Deutschland seine Stimme bündelt und erhebt. Er muss die verantwortlichen Institutionen und Kulturpolitiker*innen auf sich und seine Rolle in der kulturellen Landschaft aufmerksam machen.
Deutschland hat sich öffentlich verpflichtet, das immaterielle Kulturerbe aktiv zu erhalten. Der Tango muss die kulturpolitische Unterstützung einfordern, die ihm in seiner Eigenschaft als immateriellen Kulturerbe der Menschheit zusteht.
Warum? – Damit Tangokultur erhalten bleibt und wächst. Damit sie den Geist von Gemeinschaft auf der ganzen Welt, den Geist von Vielfalt und kulturellen Dialog fördert.
Dafür setzt sich der Verein ProTango ein.
Quellen:
(1) Begründung für den Eintrag des Tangos in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit
(2) Übereinkommen der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes vom 17. Oktober 2003 – Offizielle Übersetzung des Sprachendienstes des Auswärtigen Amtes
(3) Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit (Representative List of the Intangible Cultural Heritage of Humanity)
Titelbild: © C. Reimann – Stadthalle Wuppertal